Wie man dem Gänseblümchen
die Blütenblätter abreißt
24. Oktober 2004
Traduction : Stephanie Helle
Jean-Pierre Petit
Die Leser aus meiner Generation erinnern sich bestimmt
an Brigitte Bardot’s Film, der diesen Namen trug. Aber über dieses
Gänseblümchen will ich heute nicht sprechen. Ich denke an einen Vergleich,
den mir einer meiner Leser suggeriert hat: In Frankreich und in vielen anderen
Ländern reißt man den Gänseblümchen die
Blütenblätter ab. Die staatlichen Autoritäten bauen nach und
nach alle unsere Freiheiten und sozialen Errungenschaften ab. Da die Menschen
nicht mehr geschlossen zu einander stehen, kann keine Partei oder Gewerkschaft
die einzelnen Personen oder Belegschaften der Unternehmen mehr verteidigen.
Alles löst sich leise auf. Kein Blütenblatt reagiert wenn es dem Nachbar
an den Kragen geht, kein Blütenblatt ist sich bewußt, daß es
selbst demnächst das nächste Opfer sein wird.
Und da sich wirkliche Lösungen nicht abzeichnen,
kann man schlicht und einfach verzweifeln. Arlette Laguiller läßt
sich regelmäßig zur Wahl aufstellen und trägt ihre kleinen Reden
in einem monotonen Jammerton vor. Sie spricht “ von der Arbeiterpartei
“ und den “ Arbeitgebern “. Auch wenn sie die ungeheuerlichen
Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft und die Aushölung unserer sozialen
Rechte anprangert, so bleibt ihre politische Botschaft doch dürftig, inexistent,
wie die aller der, die sich als “ Linke “ ausgeben, ganz egal ob
nun auf der linken Seite Kaviar gegessen wird oder nicht. Einige Reden erinnern
an das Thema der “ Selbstverwaltung “ der sozialen Revolutionäre
von 1968, der größte Blödsinn, den man sich in der Geschichte
unserer Gesellschaft je ausgedacht hat.
Nein, Unternehmen funktionieren nicht wenn Arbeitergruppen
sie lenken. Der Kommunismus hat auch nicht funktioniert. Aber das Ganze ist
natürlich viel komplexer. Auch wenn es in in der Soviet Union guten Willen
( und viel Anständigkeit ) gab, so ist dieses in extremster Autokratie
gebaute Reich, eine Autokratie, die sich der Schlachter Stalin ausgedacht hatte,
wirtschaftlich erstickt, von den USA gezwungen, ein Verteidigungsarsenal zu
entwickeln, das den Hauptteil seines Bruttosozialprodukts verschlang. Die Soviet
Union hat nie genügend Mittel gehabt um sich Butter und Kanonen zu leisten.
Am Ende ist alles wie ein Kartenschloß zusammengestürzt und die Russen
haben ihre Unfähigheit bewiesen, von einem Extrem in ein anderes überzuwechseln,
von einer nach außen hin isolierten Planwirtschaft in eine Markwirtschaft.
Es wirkt als ob sie von einem Tag auf den anderen alle Defizienzen unseres Wirtschaftsystems
übernommen haben, jedoch ohne gleichzeitig in den Genuß seiner wenigen
Vorteile zu kommen. Und jetzt füllen sich die Bahnhofshallen Rußlands
mit minderjährigen Prostituierten, die Märkte sind vollgestopft mit
alten Leuten, die ihren Besitz verkaufen, um zu überleben. Das soziale
Absicherungssystem der Soviet Union ist vom Elend abgelöst worden.
Und nicht lange nachdem sie von Castro kurzerhand aus
dem Land rausgeschmissen worden war, hat sich die amerikanische Mafia wieder
in ihren früheren
Hauptquartier breit gemacht. Mao‘s China hat den stählernen Stock
ihres Steuermannes geerbt. Dort kämpft der Staat gegen die Drogeninvasion
indem er jeden Besitzer der kleinsten Menge Rauschgifts schlicht und einfach
erschießen läßt. China hat die Marotten ihres nach jungen Frauen
gierigen Guru-Führers hinter sich gelassen, ein Literat, der zu seiner
Zeit mit seiner weitbekannten Effizienz Metallarbeiter spielen wollte. Sollten
einige meiner Leser nicht auf dem Laufenden sein , so lassen Sie mich hinzufügen,
daß er die Bauern China‘s angewiesen hatte, künftig in den
Hochöfen ihrer Dörfer ihren eigenen Stahl zu produzieren. Auf der
anderen Seite der Welt spielte Stalin Agrarwissenschaftler und beschloß
direkt nach dem Krieg, daß sein Volk die Ernteerträge auf spektakuläre
Weise steigern könne, wenn die Felder von als Traktoren umgebauten Panzern
„ einen Meter tief gepflügt würden“. Als Ergebnis dieser
Politik wurden die Felder ganzer Regionen lange Zeit steril, weil sich die fruchtbare
Erde nun einen Meter unter der Oberfläche und die auf Samen nicht Reagierende
oben befand.
In den arabischen Ländern profitieren die religiösen
Führer von der Angst und machen ihren Schäfchen ihrerseits die Scharia
und Burka als Rettungswesten schmackhaft, im Antlitz der immer offensichtlicher
werdenden sittlichen Verwirrung in den westlichen Ländern. Diese Strategie
hat den Vorteil, einfach verständlich zu sein, auch wenn die angebotene
Lösung vor mehr als Tausend Jahren erfunden wurde. Darüber hält
diese Weltsicht für jedes Problem eine Lösung bereit. Sie liefert
ein streng reglementiertes, gut definiertes Lebensmodel bereit, ein mit allen
Ungleichheiten fertigwerdendes ultra-stabiles Sozialsystem und Antworten auf
die Existenzangst des Menschen. In dieser Weltsicht ist alles vorgesehen.Während
die Menschen der westlichen Länder gegen ihre Schwermut Antidepressivums
schlucken, Mauern bauen oder in Befolgung eines anderen biblischen Gesetzes,
der Vergeltung, blind Raketen losschießen, so wird den Verzweifelsten
der anderen Seite ein anderer Notausgang gezeigt: Der Selbstmord, mit unterschriebener
Garantie in Bezug auf die Seligsprechung im Jenseits. Aber selbstverständlich
schicken die Politiker nie ihre eigenen Kinder in die Schlacht, weder in den
arabischen Ländern noch in den USA. Der Tod war und ist immer für
die Armen bestimmt gewesen.
Das Phenomen des islamischen Fanatismus wird sogar allmählich
zu einer politischen Kraft von internationaler Bedeutung. Die Aktionen der Kamikaze
sind unvergleichbar wirksam. Man könnte sie die „ Atombombe der technologisch
unterentwickelten Völker“ nennen. Ihnen gegenüber sind die mit
Lasern und thermonuklearen Waffen ausgestatteten, von spionierenden Flugzeugen
unterstützten und mit durch GPS-geleiteten Bomben bewaffneten Cow-Boys
völlig machtlos. So eine Situation hatten wir auf unserem Planeten noch
nie. Sie ist historisch gesehen bemerkenswert. Selbst die europäischen
Länder ähneln Strohballen, die jeden Moment Feuer fangen können.
Man braucht sich nur den Algerienkrieg anzusehen, um zu verstehen wie schnell
sich eine bestimmte Situation entzünden kann. Nach der ersten Bombenexplosion
werden die rechtsradikalen Parteien ihr bisher schlummerndes Gift herausholen.
Wer läßt die erste Bombe explodieren ? Gute Frage ! Wer zieht die
Fäden ? Wer organisiert die erste erste Welle von Selbstmordattentaten
in diesem oder jenen europäischen Land ? Die religiösen Führer
oder ... die Amerikaner selbst, weil sie vesuchen wollen, die Europäer
zu zwingen, an Amerika‘s Kreuzzug „ gegen de
Terrorismus“ teilzunehmen ?
Haben die amerikanischen Falken durch ein gegen sie selbstgerichtetes,
völlig machiavellisches Attentat an diesem berühmten 11. September,
durchsichtig wie Pfeifensaft, die Sachen beschleunigt ? War das ein gut überlegter
politischer Schachzug um anschließend freie Hand zu haben und wunderbar
in unlösbaren und menschlich katastrophalen Situationen zu versinken ?
Iraq erinnert an Rußland’s Rückzug . Historisch gesehen sind
diese beiden Situationen vergleichbar. Die Wissenschaft hält auch keine
Lösung bereit und da sie eng mit den militär-industriellen Lobbies
zusammenarbeitet ( diese Zusammenarbeit scheint heutzutage ihre wichtigste „
Forschungs- und Entwicklungsarbeit“ geworden zu sein )diskreditiert sie
sich selbst. Sie dient hauptsächlich der Steigerung der Profitraten, der
Verfestigung der Machstrukturen, der Monopole, in völliger Verantwortungslosigkeit,
sichtbar im Abenteuer der gentechnisch veränderten Pflanzen und vielen
anderen Angelegenheiten. Von Zeit zu Zeit befragt das einfache Volk die großen
Priester der Wissenschaft, bärtige Männer mit Hosenträgern oder
sich auf Rädern fortbewegende Körperbehinderte, die sich wie Gurus
verhalten und dem einfachen Volk ...den größten Blödsinn verkaufen,
indem sie sich auf Theorien berufen, die „erst in ein paar Jahunderten
nützlich sein werden” weil “ diese Theorien zu fortschrittlich
sind”., und indem sie von der “TOE” Theorie sprechen ( theory
of everything ). Das ganze Theater ist mitleidserregend.
Ich habe auch keine Lösung anzubieten. Das muß
ich leider ganz einfach so feststellen. Was einen dagegen zum Durchdrehen bringen
kann ist das Verhalten unserer Medien. Was genau sind die Medien ? Die Definition
des Larousse ist wage. Dort steht „Verbreitung einer Massenkultur“.
Aber die Medien sind in Wirklichkeit viel mehr. Unsere Medien sind die Fenster
durch die die Nachrichtenexperten uns informieren sollen, uns zeigen sollen,
was in den anderen Landesteilen und im Rest der Welt so vorgeht. In Wirklichkeit
überschüttet man uns mit Geschichten von überfahrenen Katzen,
um uns noch mehr zu verblöden. Jeden Tag berichten uns die Nachrichten
von diversen unbedeutenden Ereignissen, um so immer mehr von den wirklich wichtigen
Geschehnissen in unserer Welt abzulenken. Das wirklich Wichtige wird dann in
ein paar Minuten abgehagt. Arte ist der “Alibisender”, wo die “großen
Themen” angegangen werden, wo schonungslos ein halbes Jahrhundert alte
Ereignisse angeprangert werden, um so schön von dem abzulenken, was unter
unseren Augen passiert, in unserer Gegenwart.
Da kann man sich fragen, ob unsere Nachrichtenexperten
nicht zu Experten der Falschinformation geworden sind, absichtlich oder aus
Anpassung. Ich weiß nicht, ob es noch Franzosen gibt, die an ihre Medien
glauben, an die Informationen auf ihrem Bildschirm, an die Texte in den Spalten
ihrer Zeitungen ( wußten Sie schon, daß der Figaro und Express Serge
Dassault gehören ? ) Ich have vor kurzem eine Ausgabe des „Monde“
gelesen( Dassault hat vergeblich versucht, sich diese Presseorgan unter den
Nagle zu reißen. Aber trotz allem, wem gehört diese Zeitung, wer
glaubt noch, daß dieses Presseorgan objektiv ist ?). Ich glaube, es war
die Ausgabe vom 19. Oktober 2004. Eine ganze Seite war dem voranschreitenden
Verarmung in Frankreich gewidmet. Immer mehr Arbeitslose, am Ende ihrer Berechtigung
auf Arbeitslosengeld angelangte Leute, Wohnungslose, aus ihrer Wohnung ausgewiesen,weil
sie die Miete nicht mehr bezahlen konnten, hochverschuldete Leute. Etc. Eine
ganze Seite über dieses Thema. Aber ein wichtiges Phenomen unserer Zeit
wurde bei Seite gelassen, ein ziemlich neues Problem, das aber explosionsartig
an Bedeutung gewinnen wird, “Verlagerung” getauft. Sehr hübsche
Bezeichnung, gut ausgesucht. Um so ein Wort zu finden, so schön neutral,
hat man einen „Kommunikationsspezialisten“ hinzuziehen müssen.
Dieses Wort wirkt so harmlos, obwohl es soviel zukünftiges Elend beinhaltet,
unendliche Verzweiflung. Ein europäisches Gesetz ist verabschiedet worden,
sagt mir mein Freund Jacques. Um “sich verlagern” zu dürfen,
muß ein Unternehmen von jetzt an nicht mal mehr in Schwierigkeiten stecken.
Die “Verlagerung” ist erlaubt, wenn er “ dem Unternehmen einen
Wettbewerbsvorteil bringt”.
In einem Buchgeschäft habe ich Bücher gesehen,
die Europa preisen, “ damit wir ein starkes Europa bauen können,
um den Amerikanern standzuhalten “. Das erinnert mich an ein Gedicht von
Prévert: Die, die im Keller Kugelschreiber produzieren, mit denen andere
Leute dann schreiben, daß alles in bester Ordung
ist.
Die Globalisierung macht mir Angst. Als es um die Frage
ging, wie die osteuropäischen Länder mit “unserem schönen
Europa” verwachsen würden, hatte ich mir vorgestellt, daß große
Mengen polnischer Ingenieure nach Frankreich umziehen und dieselbe Arbeit zu
weit niedrigeren Gehältern als den unseren verrichten würden. Ich
hatte nicht gedacht, daß es nicht einmal notwenig sein würde, diese
Ingenieure, Techniker und polnischen Arbeiter in unser Land einzuladen, und
daß man stattdessen einfach nur die “Unternehmen umziehen lassen
müsse”. Es fehlt einem immer an Phantasie.
Erinnern Sie sich an die Robotertechnik ? Angeblich gingen wir ja auf eine “Freizeitgesellschaft” zu. Die Menschen bräuchten nicht mehr arbeiten, die Roboter würden das für sie erledigen und wir würden Daumen drehen. In Wirklichkeit stellt man fest, daß diese Robotertechnik, wenn sie auich die Produktivität gesteigert hat, indem man Arbeiter einstellt, die sowieso nie protestieren, keine soziale Absicherung, keinen Schlaf, keine Ferien braucht, und Millionen Menschen arbeitslos gemacht hat, wie damals die Lyoner Seidenweber, die Textilarbeiter, nach der Erfindung des Webstuhls auf die Straße geworfen worden waren. Die Arbeitslosigkeit wird von “allgemeinen Sozialabgaben” bezahlt, Tendenz ständig steigend.
Erinnern Sie sich an die Arbeit vorm Bildschirm ? Man hatte uns gesagt, daß “wir zum Arbeiten nicht mehr zum Arbeitsplatz fahren müssen. Wir würden von zu Hause arbeiten”. Als die Arbeitsplätze der einfachen Industriearbeiter verschwanden, sagten die Leute sich, “wir werden zur Dienstleistungsgesellschaft”. Falsch ! Die Möglichkeit, an die ich nicht gedacht hatte, ist, daß das Personal eines Unternehmens auch “verlagert” werden kann, einschließlich und ganz besonders das der Dienstleistungsunternehmen. Ich habe einen Bericht gesehen über Angestellte in Romänien, die vom ihrem Bildschirm aus für ein französisches Unternehmen arbeiten, für ein Drittel unseres Gehaltes. Und diese Leute waren darüber sehr glücklich. Ist das nicht toll ? Ist uns eigentlich klar, was da unter unseren Augen passiert ? In den osteuropäischen Ländern kosten die Leute nur ein Drittel von uns, die indischen oder chinesischen Angestellten nur ein Zentel oder Zwanzigstel. Einer meiner Freunde hat ein kleines Unternehmen. Er meinte vor kurzem zu mir: “ 60% der Produktionskosten unserer Produkte sind Gehälter. Ich sage dir eins: Nächsten Monat habe ich einen Termin in der Tschecheslovakei. Das ist kein Mangel an Anständigkeit. Entweder verlagere ich oder ich muß zumachen”. Irgendjemand hat mir mal gesagt:” Man könnte einen Aufkleber an den Produkten anbringen: “Mit französischer Arbeitskraft hergestellt”. Aber wer würde das tun? Was die Verlagerung angeht, sind sich bald alle Untenehmen einig. Die Vorteile sind zu groß und das Phenomen ist bereits zu sehr akzeptiert. Und darüber hinaus, was ist heutzutage noch “ zu 100% in Frankreich hergestellt”. Gar nichts. Die Tomaten kommen aus Spanien, die Schraubendreher aus Deutschland, und die Prozessoren werden in Asien hergestellt. Wenn man die Tschechen, Polen oder Chinesen schuften läßt, kann man sich selbst die Taschen füllen.
Wohin führt das alles ? Welcher Politiker könnte uns noch sagen, daß wir irgendeine bestimmte Richtung eingeschlagen haben ? In einem liberalen System, verlagern sich das Kapital und die Produktionsmittel dahin, wo es die größten Profitraten gibt, daß heißt in die Gegenden der Erdkugel, wo die soziale Absicherung am niedrigsten ist. Das gehört zur Logik dieser Sache. Da es nun durch die Globalisierung möglich geworden ist, praktisch alle Aktivitäten zu “verlagern”, einschließlich der Dienstleistungen, dank Internet, wird das Lebensniveau der Arbeiter nach unten gedrückt und gleichzeitig steigen die Einkünfte der “Neureichen” oder “Altreichen” brutal, und diese Leute werden noch reicher, dank höherer Profitraten und niedrigeren Abgaben.
Jetzt sehen wir was aus unseren Demokratien wird, die
mittlerweile sowieso einer totalen Verscheißerung ähneln. Was kann
man da machen ? Praktisch gar nichts. Es gibt keine politische Alternative,
nur eine Wahl zwischen zwei Übeln. Die armen Länder werden davon profitieren.
China erwacht, und das hatte Pierrefitte in seinem Erfolgsbuch “ Der Tag,
an dem China erwacht” bereits vorausgesagt. Eine Milliarde Menschen haben
Durst auf Konsum, Reisen, den Anstieg ihres Lebensniveaus. Und die Geschehnisse
werden denen in verbundenen Gefäßen ähneln. Die Arbeiter der
“reichen Länder” , in denen wir wohnen, werden die Rechnung
bezahlen und diese wird unendlich gesalzen sein. Anscheinend hätte ein
großer Arbeitgeber gesagt:” Wir machen mit den Verlagerungen weiter,
bis die französischen Arbeiter akzeptieren, zu polnischen Gehältern
zu arbeiten”.Eine befreundete Bekannte von mir ist Orientierungsspezialistin
in einem Collège, nicht weit von Paris. Vor kurzem hat sie eine Anzeige
in die Zeitung gesetzt, um einen Pausenhofaufseher einzustellen, einen einfachen
Pausenhofaufseher (“ Stellt euch in eine Schlange mit euren Kamaraden”).
Zu dem Vorstellungsgespräch kamen Abiturienten mit abgeschlossenem fünf-jährigen
Studium. Sie hat gefragt:” Warum bewerben Sie sich ?” Antwort: “
Das ist besser als eine Arbeit am Fließband, und hier sehen wir wenigstens
ein paar Leute”. Zeichen der Zeit. Das alles wird in wenigen Jahren ganz
banal werden. Wie reagiert unsere Regierung darauf. Chirac hat beschlossen,
“Arbeitshäuser” ins Leben zu rufen.
Niemand in unseren Medien hat den Mut darüber zu reden. Man amüsiert
uns mit Fernsehspielchen. In diesen Spielchen "gewinnen” die Leute
( “Jetzt werden wir mal sehen, wie viel Sie gewinnen”). Unsere jungen
Leute gucken “Star Academy” und träumen von einfachen Wegen,
die aus ihrer Schmutzsituation raus führen, vom Berühmtwerden, vom
leicht verdienten Geld. Genau das fasziniert uns: alle diese “Berufe”,
die jedem offen zu stehen scheinen. Singen, auf einen Fußball eintreten,
Komödie spielen. Man hält uns das Trugbild des Fernsehshoppings vor.
Alles was die Menschen zum Nachdenken anregen könnte verschwindet aus den
Medien ( die neuste wissenschaftliche Sendung E=M6 wird nur noch von Sponsoren
finanziert, in “Spielchen” Format. Die Leser, die Fernsehzuschauer
sind mit panickenden Passagieren eines sinkenden Schiffes zu vergleichen. Sie
sehen, daß die Leute aus der ersten Klasse zu den luxuriösen Rettungsboten
laufen, wirkliche “Rettungsyachten” ( In allen Pressehäusern
ist die Zeitschrift Yachting ausgelegt, mit einer großen Auswahl an Rettungsbootmodellen
für die Reichen). Aber für die Passagiere des Mitteldecks ist gar
nichts vorgesehen. Diese spüren nur, daß das Schiff sich zur Seite
neigt und untergeht, während auf dem Achterdeck das Orchester “ Dir
näher, mein Gott” spielt und ein fellinesker Papst weiterhin gegen
Kondome kämpft.
Der Konsum von Antidepressionsmedikamenten nimmt zu. Aber warum nur ? Warum wollen alle diese Leute sich mit Drogen betäuben ? Ist das Leben nicht wunderbar ?
Ich habe eine Neuigkeit erfahren. Die Israelis hätten vor zehn Tagen eine Lieferung von zwei Tausend durch GPS geleitete, ihre Flugbahn selbst korrigierende Bomben bekommen, die ihr Ziel auf ein paar Meter genau anpeilen können. Die Presse fängt an darüber zu berichten, mehr dazu am Ende dieses Artikels. Diese Entwicklung hat ihre Logik. Die Amerikaner sind im Irak völlig im Schlamm versunken. Weil sie sich die Freiheit genommen haben alleine zu handeln, haben sie die Glaubwürdigkeit der Vereinten Nationen total zerstört und die Entscheidungen dieser letzten sind nur noch Papierfetzen. Niemand glaubt mehr eine Sekunde lang an die Existenz von “Massenvernichtungsmitteln” in diesem Land, der Vorwand für die Invasion. Die Invasion hatte im Grund ein ganz anderes Ziel. Irak besitzt sehr große Ölreserven. Irak ist das einzige Land, das es hätte schaffen können, durch ein massives Steigern seiner eigenen Erdölproduktion den Preis des Rohöls zu drücken. Dadurch hätten die Irakis Druck auf die saudische Regierung ausüben können, die in der ganzen Welt Koranschulen finanziert, und ebenfalls alle islamischen Extrembewegungen. Ben Laden ist Saudi. Die saudische Königsfamilie hat das Land schon seit langen nicht meht unter Kontrolle. Blieb nur noch die Waffe “Öl”, und hinter dieser die amerikanische Züchtigungsrute, in der Gestalt der Aramco. Aber das alles ist jetzt vorbei. Welches Land könnten die USA bedrohen ? Wo ist diese Dominostrategie, die vorraussagte, das durch die Entstabilisierung Iraks alle anderen arabischen Länder mitziehen würden ? Onkel Sam steckt in Schwierigkeiten.
Durch die Attentate gegen die Ölleitungen sinkt die Rohölproduktion. Und dann steigt der Erdölpreis. Und durch eine weitere Laune unserer Wirtschaft fällt dadurch der Dollar. Dann kann Amerika grenzenlos exportieren und die westlichen Wirtschaftsysteme werden dadurch doppelt entstabilisiert. Aber, was die Saudis angeht, die sich auf einmal ihre Taschen bestens füllen können, so ist die Auswirkung der ganzen Manipulation genau das Gegenteil von dem, den man sich erhofft hatte. Genial! Bush und seine Truppe haben sich aus Versehen den Finger bis zur Schulter durch ins Auge gesteckt. Was sollte man jetzt machen ? In Saudi-Arabien einfallen ? Fallschirmspringende Spezialeinheiten über Mekka herunterkommen lassen und drohen, die Kaaba in die Luft zu sprengen ? Im Pentagon ist das bestimmt in Betracht gezogen worden.
Seit der Nachkriegszeit haben wir noch nie in einer solchen Scheiße gesteckt. Früher lebtem wir mit dem Risiko des kalten Krieges. Dann kam die Affäre der Raketen auf Kuba. Wir haben uns die Bilder noch einmal angesehen, wo die Kommandierenden der russischen U-Boote erklärten: “ ja wir haben thermonukleare Torpedos in unseren Silos”. Aber heutzutage ist das Risiko ganz anderer Natur. Jetzt wo die Berliner Mauer sich nur noch, in Bruchstücksform, in Museen moderner Kunst befindet, ist der Wirtschaftskrieg ausgebrochen. Er brennt auf allen Seiten.China ist ein wimmelnder und fleißiger Armeisenhaufen, mit exponentiellen Entwicklungsaussichten.In den Sporthallen des Landes lernen hunderte von Chinesen durch das Brüllen nationalistischer Slogans Fremdsprachen. Sie werden uns für den Opiumkrieg bezahlen lassen, teuer bezahlen lassn.
Also, die USA können niemanden mehr bedrohen. Wie
könnten sie jetzt auch in ein anderes land einfallen? Mit welchen Truppen,
welchen Soldaten ? Die armen Leute, die hoffen, so die amerikanische Staatsbürgerschaft
zu bekommen, fangen an zu begreifen, daß man sich in diesem kleinen Spielchen
einfach nur blöd totschießen lassen kann. Daraufhin beschließen
die Iraner, sich mit isotopischer Anreicherung zu beschäftigen. Im Klartext:
Sie arbeiten an der ersten Atombombe der arabischen Länder.Nicht die erste
der moslemischen Länder, da ja die Pakistanis bereits ihre eigene haben.
Aber die werden ja von Indien in Schach gehalten. Indien hat ja auch eine und
ist bereit ihnen eine runterzuwerfen, sollten die Pakistanis husten. Iran hat
bereits Raketen mit einer Tragweite, die ausreicht, um Israel zu treffen.
Die Israelis haben schon im Oktober gewarnt: Wenn in vier
Monaten, also im Februar, niemand die iranischen Bombenvorbereitungsarbeiten
gestoppt hat, werden sie selbst die iranischen Nukleareinrichtungen zerstören,
mit Hilfe ihrer durch GPS gelenkten Bomben, die ihr Ziel in der Abstiegsphase
auf den Meter genau anpeilen. Diese Leute machen keine Witze. Den Osirak, den
von den Franzosen für ...Saddam Hussein gebauten Nuklearreaktor haben sie
so bereits zerstört ( dieselben Franzosen haben übrigens Iran zur
Nukleartechnik verholfen ). Aber was kann man da machen ? Wer kann Iran verbieten,
an seinem großen Werk weiterzuarbeiten ? Die USA, die Vereinten Nationen
?
Man könnte sich in Monte Carlo glauben. Welche Szenarios
sind jetzt möglich ?
- Das sie verstehen, daß die Israelis ihre Drohung wahr machen werden,
geben die Iraner im letzten Moment klein
- Oder ?....
Die Israelis haben keine Wahl. Natürlich transportieren
sie in ihren im Mittelmehr kreuzenden U-Booten ihre Nuklearwaffen mit sich herum.
Sie haben ihre “Abwehrmittel”. Es heißt, sie haben 200 thermonukleare
Köpfe. Aber ihr Land ist so klein, daß man es mit ein paar Bomben
ganz einfach von der Landkarte streichen kann. Die Versuchung ist groß.Aber,
gut, wenn das passieren sollte, würde ein israelisches U-Boot eine Rakete
direkt in die Innenstadt Mekkas schießen und dann wären die verschiedenen
arabischen Großstädte auch von der Landkarte gestrichen.
An welches Szenario glauben Sie ? Es ist möglich,
daß im Februar der dritte Weltkrieg anfängt. Aber vielleicht auch
nicht. In dieser Ungewißheit, gehen Sie in die nächste Kirche und
stecken Sie eine Kerze an. In dieser Stimmung befinde ich mich zur Zeit. Eine
andere Idee habe ich nicht. Die Frage, die zur Zeit die französischen Medien
beschäftigt ist die Gründung eines kostenpflichtigen homosexuellen
Fernsehsenders mit vier Pornofilmen pro Woche. Patrick Sébastien erzählt
von einer seiner Freundinnen, die ein Bordel besitzt und er fügt hinzu
“ die Politiker gehören zu den Perversten”. Wirklich spannend.
Können Sie sich einen kleine Moslem vorstellen, der sich so eine Art Sendung
in seiner Siedlung anguckt ? Die Wirkung ist einfach zusammenzufassen. Unsere
westliche Gesellschaft zersetzt sich. Und was machen die Leute in einer sich
zersetzenden Gesellschaft ? Entweder lassen sie sich ganz gehen, tauchen in
Depressionen, Drogen, alle möglichen Drogen ein, oder sie suchen nach “Gewißheiten”,
einer “starken Kraft”, “energischen Gesetze”. Zur heutigen
Zeit sehe ich nur drei Möglichkeiten:
1. Sie gucken jeden Abend TF1 ( erstes französisches Fernsehen ), steigern
langsam die Dosen und stopfen Sich
gleichzeitig mit Prozac voll.
2. Sie werden Fanatiker, auf der einen oder anderen Seite
3. Sie versuchen, selbstständig zu denken ( das ist am schwierigsten )
Auf meiner Webseite spreche ich vom Tod meines Freundes Jaques Benvenistes, der “vorort getötet worden ist”, an der Front der wissenschaftlichen Diktatur, des Blödsinns, der Irrationalität, des Egoismus’ und der Dummheit. Ich habe meine Leser gebeten, an sein Labor einen Brief zu schicken. Eine einfache Geste. Reaktionsrate: 1%. Gleichgültigkeit ? Nein, Sättigungswirkung. In Frankreich ertrinken die Leute in ihren Problemen, ihren Sorgen. Sie sind völlig durcheinander, verzweifelt, werden passif. Ihc glaube, daß ich anfange, sie besser zu verstehen. Ich weiß nicht, ob ich heutzutage noch einmal 20 sein möchte. Oft sagen wir uns unter Freunden meiner Generation: Wenn man uns um 45 Jahre verjüngen würde, was würden wir dann machen. Niemand weiß darauf eine Antwort. Das erinnert an den berühmten Satz:
Gott ist tot, Marx ist tot und ich fühle mich auch nicht sehr gut.
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